Zwei kurze Leben im Widerstand

23. November 2018

„Lerne mit dem Herzen zu denken!“ Die Theaterinitiative „Bühnensturm“ stürmt Herz und Verstand an der PGS.

Am für die deutsche Gesichte schicksalswürdigen 09. November lud der zehnte Jahrgang der PGS auf Initiative seiner Politik- und GeschichtslehrerInnen Johanna Kunze und die Historikerin Frauke Geyken der Theaterinitiative „Bühnensturm“ ein, ihre szenische Lesung „Lerne mit dem Herzen zu denken! Zwei kurze Leben im Widerstand“ in der Aula des Gymnasiums darzubieten.

Die beiden Frauen gaben einen nahbaren Einblick in die Leben zweier Widerstandskämpferinnen im Nationalsozialismus: Sophie Scholl und Cato Bontjes van Beek. Trotz der starken Gemeinsamkeit, die Ablehnung des NS-Regimes, weisen ihre Biographien deutliche Unterschiede auf, was auf der Bühne durch Bilder, gespielte Szenen, Briefe, Tondokumente sowie sachlich präsentierte Darstellungen besonders herausgearbeitet wurde.

Während Cato Bontjes van Beek in Fischerhude, einem kleinen Ort in der Nähe von Bremen in einer politisch linksorientierten und engagierten Künstlerfamilie aufwuchs, das nationalsozialistische Regime von Beginn an kritisch hinterfragte und als junge Studentin mit Künstlern, Arbeitern und Intellektuellen in der „Roten Kapelle“ Widerstand leistete, engagierte sich Sophie Scholl zunächst in der NS- Jugendorganisation, bevor sie sich 1937 gemeinsam mit Hans Scholl und Christoph Probst in der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ organisierte und Flugblätter gegen das System in München verteilte.

Schließlich werden beide Widerstandskämpferinnen auf Grund ihrer politischen Aktivität verhaftet, zum Tode verurteilt und noch am Tage der Verurteilung 1943 durch Enthauptung hingerichtet.

Sophie Scholl steht im Nachkriegsdeutschland symbolisch für den Widerstand im NS- System, noch heute sind Straßen und Plätze oder Gebäude, nach ihr, ihrem Bruder oder der „Weißen Rose“ benannt. Cato Bontjes von Beek hingegen wurde vergessen und das ganz bewusst, wie die Historikerin Frauke Geyken betont. Eindrucksvoll und zum Nachdenken anregend wird durch einzelne Szenen dargestellt, wie es zu diesem „bewusst gewünschten“ Vergessen kommen konnte. Johanna Kunze spielte die Mutter Catos, Olga Bontjes van Beek, die ab 1948 mit all ihrer Energie versuchte, eine Hinterbliebenenrente und Wiedergutmachungszahlungen zu erhalten. Dafür ging sie nicht müde werdend zum immer gleichen Amt, irgendwo in Norddeutschland, und klagte sich durch alle Instanzen, setzte sich mit ehemaligen NS- Funktionären auseinander, die nun oftmals die Stuben der neuen Bundesrepublik besetzten, bis ihr 1958 endlich Wiedergutmachung wiederfuhr. Erst 1998 jedoch wurde das Todesurteil gegen Cato Bontjes van Beek endgültig aufgehoben, 50 Jahre nach dem ersten Antrag der Mutter zur Wiedergutmachung.

Es sind zwei besondere Frauen mit einem besonderen Leben zu einer besonderen Zeit und auf jede Zeit übertragbar. Engagement, Zivilcourage und kritisches Denken gehören zum Geist der Demokratie, der diese lebendig erhält.

Mit diesen Eindrücken ausgestattet, traute sich der zehnte Jahrgang der Paul-Gerhardt-Schule am 09. November in die deutsche Geschichte zu „springen“ und vor diesem Hintergrund die politische Gegenwart zu reflektieren. Dies bildet den Kern des aktuellen SOL-Projektunterrichts, der unter dem Motto „Wir und die anderen“ steht und die Schülerinnen und Schüler der zehnten Klassen vor besondere Herausforderungen stellen soll.

Text: Hanna Holtemeyer